Das ist in Kurzform die Haltung und das Menschenbild in der Transaktionsanalyse/TA. Und es klingt deutlich einfacher als es in der Umsetzung ist. Die wenigsten Menschen dürften das als Haltung verinnerlicht haben, viel eher ist es ein jahrelanger Reifeprozess, der einen dort hinbringt. Auch wenn es die Theorie gibt, dass wir als Säugling alle so starten, passiert im Leben oft zu vieles um das erstmal so erhalten zu können.
Deutlich häufiger begegnen uns leider folgende Varianten:
Ich bin nicht OK, Du bist OK.
Umgangssprachlich würden wir es Minderwertigkeitskomplex nennen, dabei ist es ein durchaus verbreitetes Gefühl, das fast alle Menschen aus der einen oder anderen Situation kennen. Und wenn wir uns bewusst machen, dass nur wenige von uns wirklich bedingungslose Liebe als Kind erfahren haben, wundert das auch nicht weiter. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft und werden oft von klein auf bewertet, meist abgewertet. Und auch die Probleme unserer Eltern mit sich selbst spiegeln sich im Umgang mit uns. Wenn wir Liebe nur erfahren, wenn wir bestimmten Ansprüchen genügt haben, kann ein stabiler und von Gelassenheit getragener Selbstwert kaum entstehen. Viel eher werden wir über den Mangel definier, wir werden über unsere Defizite mit anderen verglichen. Warum diese Haltung so verbreitet ist, ist traurig, aber leider auch sehr nachvollziehbar.
Ich bin OK, Du bist nicht OK.
Hier steckt etwas ganz ähnliches drin, aber unter umgekehrten Vorzeichen. Wenn mir schon immer vermittelt wurde „etwas besseres zu sein“, wird das mein Selbstbild prägen und zur Abwertung anderer Menschen führen. Wer nicht gleichen Rang, Namen, Status, Titel, Herkunft o.ä. vorweisen kann, ist nicht würdig als ebenbürtig angesehen zu werden. Doch es ist auch nachvollziehbar, das ein so verinnerlichtes (Ab)Bewertungssystem nicht zu einer besonders liebenswürdigen und wertschätzenden Persönlichkeit führen wird.
Auch hier wird „Liebe“ – auch die für sich selbst – nur nach bestimmten Leistungsmerkmalen oder Kriterien vergeben, sie ist nie bedingungslos. Und damit auch kein Zeichen für ein stabiles Selbstwertgefühl. Auch wenn es auf den ersten Blick anders wirkt, ist es im Grunde nur ein Weg, den eigenen Selbstwert künstlich anzuheben, durch Abwertung der Anderen. Alles andere als schön. Menschlich aber durchaus nachvollziehbar und wenn wir in uns gehen, haben wir uns in bestimmten Umfeldern wahrscheinlich alle auch schon mal als „was Besseres“ gefühlt. Weil wir die Menschen um uns herum als ungebildeter, ungepflegter, unreflektierter oder was auch immer wahrnehmen. Es ist durchaus spannend darüber nachzudenken, was uns das in diesem Moment bringt.
Auch wenn beide nicht Haltungen uns nicht glücklich machen und deshalb kein wünschenswertes Ziel sind, sind sie dennoch die Norm und haben total nachvollziehbare Gründe warum wir so sind.
Ich bin nicht OK, Du bist nicht OK.
Das ist die traurige, wenn nicht sogar tragische Steigerung, denn mit dem Weltbild wird ein gelingendes Leben quasi unmöglich. Hier muss verdammt viel schief gelaufen sein und der Mensch gehört in gute therapeutische Betreuung.
Was wir mittels TA anstreben, ist dagegen das:
(Und übrigens auch ein guter Indikator ob der Coach/Berater/Therapeut, der mir gegenüber sitzt, die TA nicht nur auf irgendeinem Schild stehen hat, sondern auch wirklich lebt.)
Ich bin OK, Du bist OK.
Unsere Sicht auf uns und andere ist getragen von Respekt und Wertschätzung. Wir glauben fest daran, dass in jedem von uns ein guter und liebenswerter Kern steckt. Wir sind davon überzeugt, dass es nachvollziehbare Gründe gibt, warum wir so sind wir wir sind und uns so verhalten, wie wir es tun. Das ist nicht damit zu verwechseln, dass wir mit einer rosarot gefärbten Brille durch die Gegend laufen und alles unreflektiert toll finden. Wir trennen Persönlichkeit und Verhalten. Wir können ein Verhalten verurteilen ohne dem Menschen seinen Wert abzusprechen. Ich gehe davon aus, dass es nachvollziehbare Gründe gibt, warum dieser Mensch dieses Verhalten an den Tag legt. Ich muss nicht jeden Menschen nett finden und ich darf auch entscheiden, dass ich zu bestimmten Menschen auf Abstand gehe, weil sie mir nicht gut tun. Allerdings wiederum ohne diesem Menschen seinen Wert und guten Kern abzusprechen.
Mein persönlicher Durchbruch
Das für mich beeindruckendste Erlebnis auf meinem persönlichen Weg zu dieser Haltung war die Teilnahme an den Skripttherapietagen in meinem Ausbildungsinstitut. Das sind quasi 3 Tage komprimierte Gruppentherapie inkl. beobachteter Einzeltherapie zu sehr, sehr persönlichen, tiefgründigen Themen. Das ganze kostet Mut, viel Energie, Kraft, Tränen und Taschentücher. Aber es ermöglicht dafür echte Transformation und tatsächlich lebensverändernde Erkenntnisse.
Es kann dabei natürlich durchaus passieren, dass sich in dem Teilnehmerkreis auch Menschen finden, die einem erstmal so gar nicht sympathisch sind. Im Verlauf wird man aber fast zwangsläufig so viel über das Leben, die Gefühle, Ängste und Sorgen dieser Menschen erfahren, dass uns gar nichts anderes übrig bleibt als zu verstehen, warum dieser Mensch so ist wie er ist. Wenn Menschen wirklich aufmachen und uns ihre Gefühlswelt offenbaren, können wir eigentlich gar nicht anders als Mitgefühl zu empfinden. Wir müssen nicht gutheißen wie sich diese Menschen verhalten. Aber wir verstehen welcher gute Kern in diesem Menschen steckt und können nachvollziehen, warum er so sich so verhält, wie er es tut. Das ist Respekt und Wertschätzung. Völlig unabhängig von irgendwelchen oberflächlichen Merkmalen. Am Ende dieser intensiven drei Tage kann man dann meist feststellen, dass man auch diesen ursprünglich seltsamen Typ tatsächlich ins Herz geschlossen hat.
Vom Kleinen zum Großen
Wenn ich das exemplarisch ein paar Mal erlebt habe, ist es gar kein so großer Schritt mehr, das grundsätzlich bei allen Menschen annehmen zu können. Und dann ist es egal, ob mein Gegenüber Vorstandsvorsitzende/r, Reinigungskraft, Bäckereifachverkäufer/in oder Handwerker/in ist. Ich gestehe ihnen einen guten Kern zu, unabhängig davon ob ich das momentane Verhalten mag. Was es deutlich einfacher macht, mit meinem eigenen Verhalten zu einer positiven Kommunikation beizutragen. Und damit steigt die Chance erheblich, dass mein Gegenüber dann plötzlich doch ein Lächeln im Gesicht hat. Und falls nicht, weiß ich auch, dass es höchstwahrscheinlich nichts mit mir zu tun hat.
Ich kann nicht behaupten, das wirklich immer zu schaffen. Doch ich kann mich zumindest schnell wieder einfangen, wenn ich spüre, dass es gerade nicht so ist. Und das empfinde ich mittlerweile als wirklich großes Geschenk, ein bisschen Seelenfrieden auf dass man sich im Alltag besinnen kann. Vielleicht kann man sage, dass es das Leben tatsächlich etwas glücklicher macht.