In letzter Zeit begegnet es mir immer häufiger, das Hochjubeln wie toll und wertvoll Konflikte doch sind. Nein, sind sie nicht. Mich nerven Konflikte und ich habe auch keine Lust meine Lebenszeit mit ihnen zu verschwenden. Und Unternehmen, die laut und stolz propagieren wie großartig Konflikte sind, dürfen mir ebenfalls gestohlen bleiben.
Was ganz und gar nicht heißt, dass ich „harmoniesüchtig“ wär. Ganz im Gegenteil. Ich liebe herausfordernde Diskussionen und dabei darf es durchaus auch mal hitzig werden. Der Unterschied dabei – es geht um den Inhalt. Dann, und nur dann, kann „streiten“ nämlich tatsächlich Spaß machen. Wenn ich mich in der menschlichen Beziehung gleichzeitig sicher fühle.
Denn Konflikte sind fast immer auch soziale Konflikte. „Ein Konflikt ist eine mindestens von einer Seite als emotional belastend und/oder sachlich inakzeptabel empfundene Interaktion, die durch eine Unvereinbarkeit der Verhaltensweisen, der Interessen und Ziele sowie der Annahmen und Haltungen der Beteiligten gekennzeichnet ist.“ * Und diese emotionale Aufladung bringt in solchen Situationen meist das hervor, was in der Interaktion zwischen Menschen eh schon anstrengend ist – gegenseitige Abwertung.
In schlauen Büchern zu Konfliktmanagement steht dann „Respektieren Sie jede Einzelperson“, „Lösungsstrategie: Das nüchterne Analysieren beider Seiten“ oder „Trennen Sie Person und Problem“, „senden Sie Ich-Botschaften und lassen Sie Vergangenes ruhen.“ HAHAHAHAHA.
Sorry, geht gleich wieder… Wenn wir mehr Menschen hätten, die das einfach könnten… tja nun. Haben wir nämlich nicht. Und nur weil wir so schlaue Sprüche raushauen oder lesen, ändert das daran auch nix.
DENN: Wir werden fast alle von klein auf damit groß, dass einige von uns angeblich besser sind als andere. Ob das an Nationalität, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, Bildungsgrad, Körperfülle oder sonst irgendwas festgemacht wird, liegt am Umfeld. Und selbst die, die sich das mit dem „Respekt für jede Einzelperson“ gerne auf die Fahnen schreiben möchten, erwischen sich bei der ehrlichen Innenschau dann eben doch manchmal bei einem „naja… aber die, die sind schon echt dämlich, weniger wichtig, lächerlich“, etc. Ja, auch ich. Hauptsächlich im privaten, doch ich arbeite sehr konsequent daran und kriege das meist auch ziemlich schnell mit mir selbst wieder sortiert.
PLUS: Unser Bildungssystem trimmt uns von klein auf darauf, dass sich die Welt und unser Wissen in richtig und falsch trennt. Und wir das falsche – die rot markierten Fehler – eliminieren. Wenn meine Sicht also richtig ist – und davon sind wir natürlich alle überzeugt, sonst hätte wir die ja nicht – muss die andere Sicht falsch sein. Soviel zum „beide Seiten nüchtern analysieren“, …wenn eine doch falsch sein muss. Was da also so schlau, klar und einfach daher kommt, ist alles andere als einfach. Weil es fundamental unserem Weltbild widerspricht. Was nicht heißt, dass es nicht toll und richtig wäre. ABER.
Wenn ich die Emotionen aus dem Konflikt holen will, muss ich mir erstmal eingestehen, dass ich sie habe. Dass alle Anderen sie haben. Dass all diese Gefühle ihre Berechtigung aufgrund unserer Erfahrungen haben, von denen wir meist nicht die blasseste Ahnung haben und die uns selbst bei unseren ureigenen Grundgefühlen oft nicht bewusst sind. Im Idealfall soll ich die dann auch noch offenbaren – um ECHTES gegenseitiges Verständnis zu ermöglichen. Dazu müsste ich allerdings erstmal so ganz grundsätzlich mit mir im Reinen sein, um das zu können. Und dann passt es trotzdem noch so gar nicht zu der verbreiteten Unternehmenskultur. Gefühle pfui. Schwächen zeigen, bloß nicht. Fehler sind zum vermeiden und ggf. vertuschen da. Ja, ich übertreibe. Vielleicht auch nicht.
Ich fände es ja ebenfalls ganz toll, wenn wir alle konfliktfähig wären. Ich wäre aber auch schon überglücklich, wenn wir zumindest mal mit der Diskursfähigkeit anfangen. Und dabei üben, uns tatsächlich auf die inhaltlichen Punkte zu konzentrieren. Die persönlichen Befindlichkeiten mal sehr bewusst auch sprachlich weglassen. Das ist nämlich schwierig genug und braucht eigentlich immer einen außenstehenden Profi für sowas.
Und parallel in Sachen „Wertschätzung, Respekt und Augenhöhe“ mit kleinen Brötchen anfangen, bevor wir uns an die dreistöckige Hochzeitstorte machen. Vielleicht indem wir andere Menschen mal beobachten. Und uns eingestehen, dass wir über das Leben, die Hintergründe, die schweren Schicksalsschläge und als selbstverständlich erlebte Privilegien – der Reinigungskräfte genauso wenig wissen, wie über das der Vorstände unseres Arbeitgebers. Und dann probieren wir uns trotzdem mit BEIDEN Personengruppen selbst die Augenhöhe zu verordnen. So rein menschlich.
Und – wie gut gelingt Dir das?
Bei Beiden?
Ich arbeite übrigens SEHR GERNE mit Euch daran, das in der Tiefe zu analysieren und so zu üben, dass es wirklich verinnerlicht wird. Das ist dann allerdings ein längerer, anspruchsvoller aber auch extrem wertvoller Prozess. Der sich beruflich wie persönlich lohnt.
* lesenswerte Definitionen über den Begriff „Konflikt“ unter Bundeszentrale für Politische Bildung und beim Gabler Wirtschaftslexikon