Der fundamentale Attributionsfehler

Was für ein Name! Und eine gleichzeitig sehr geniale Erklärung für eine simple Wahrheit, die wir nur allzu gerne ausblenden. Von daher beleuchte ich das mal etwas genauer, da ich denke, dass einem das durchaus die Augen öffnen kann. Für einen ziemlich alltäglichen Denkfehler, den wir ständig alle machen. Deshalb passt das „fundamental“ wirklich gut.

Wenn man das googelt find ich die meisten Erklärungen dazu allerdings alles andere als erleuchtend, sondern je nach Hintergrund eher für unnötig kompliziert, wenn nicht gar schwurbelig. Ich denke das geht einfacher. Ihr erzählt mir anschließend, ob das geklappt hat, ok?

Den Begriff Attribut kenn man vielleicht noch. Das ist ein charakteristischer Wesenszug oder ein Merkmal. Passt auch zu der grammatikalischen Verwendung. Unter Attribution versteht man deshalb in der Sozialpsychologie eine Zuschreibung von Eigenschaften (Attributen) wie Fähigkeiten oder Erfahrungen. Das kann subjektiv oder auch sozial passieren. Also persönlichen Überzeugungen oder z.B. gängige Vorurteile im Umfeld.

Das heißt also, dass ich jemanden bei einer Verhaltensweise sehe und automatisch auf Persönlichkeitsmerkmale schließe.
Beispiel: Du siehst wie auf offener Straße ein kräftig wirkender Mann laut und energisch auf eine Frau einredet. Was für Bilder springen in Deinem Kopf an? Vermutlich werden es Charaktereigenschaften sein. Oder auch kulturell geprägte Vorurteile. Sowas wie „typisch Mann, dominant, aggressiv, o.ä.“ Was dagegen wahrscheinlich nicht passiert, ist, dass Du Dir zurecht denkst, welche Situation zu seinem Verhalten geführt hat. Also was wohl passiert ist, dass er so laut und aufgeregt auf sie einredet. Fühlt er sich vielleicht von ihr zu Unrecht beschuldigt? Hat er Angst vor oder um jemanden? Wir sehen etwas und schließen automatisch auf Auslöser, die in der Person liegen, anstatt in der Situation in der die Person gerade steckt.

Wenn es um uns selbst geht, ist das genau anders herum. Wann ist es Dir das letzte Mal passiert, dass Du laut und aufgeregt auf jemanden eingeredet hast? Was war der Grund dafür? Wahrscheinlich, dass Du wütend wegen etwas oder jemandem warst. Dich über eine Situation aufgeregt hast, die unfair oder vielleicht gefährlich war. Aber sicher nicht, weil Du ein so aufbrausender, aggressiver Mensch bist. Richtig?

Das bedeutet, bei uns selbst sehen wir die Gründe für Verhalten vor allem in der Situation.
Bei anderen in der Persönlichkeit. Also messen wir da tatsächlich ständig mit zweierlei Maß.

Obwohl wir das doch eigentlich, wahrscheinlich, nicht richtig finden und von uns weisen würden. DAS ist der fundamentale Attributionsfehler. Ein tatsächlich fundamentaler Denkfehler, wie wir uns Verhalten bei uns und anderen erklären. Und bei dieser Bewertung typischerweise ziemlich unfair unterwegs sind. Spannend, oder?

Ich finde, das knüpft prima beim Bezugsrahmen an. Und eigentlich macht es auch Sinn, wenn wir uns überlegen wo wir hingucken, wenn wir uns die Welt erschließen. Wenn etwas in unserem Leben passiert, sehen wir eben dieses Geschehen. Aus unseren eigenen Augen und damit nur das um uns herum. Und eben nicht die Gesamtsituation inklusive uns selbst aus der Vogelperspektive. Wir sehen, das Zusammenspiel von Faktoren um uns herum. Wir selbst sind einfach nur wir selbst wie wir immer sind, aber eben an die Situation angepasst.

Wenn wir andere Menschen beobachten, fokussieren wir uns eben auf diese/n Menschen. Wie er oder sie da gerade handelt. Wir sehen zwar auch etwas von der Situation, in diesem kurzen Moment, aber nur aus einer Richtung und damit nur, was von uns aus gesehen sichtbar ist. Wir sehen nicht die Vorgeschichte und haben auch nicht im Blick, was sonst noch alles drum herum passiert. Oder was aus deren Blick noch sichtbar ist, aber nicht in unserem eigenen Blickfeld liegt. Deshalb konzentrieren wir uns beim schlussfolgern auf die Faktoren innerhalb dieses Menschen. Und das auch noch durch unserer Bezugsrahmenbrille statt aus der, der betroffenen Person.

Macht irgendwie Sinn. Und ist trotzdem falsch.
Und wie ich finde, sehr sinnvoll das im Kopf zu behalten und sich daran zu erinnern, wenn man mal wieder vorschnell am urteilen ist. Ich rede häufig vom Perspektivwechsel und für den kann man hiermit etwas sehr Wertvolles lernen.

Die Fragen an Dich, uns alle, ist also immer:

Wie viele „Persönlichkeitsmerkmale“ stecken in meinen Umständen?
Wie würde jemand anderes das vielleicht machen und was kann ich daraus über mich lernen?

Und

Wieviel „situationsbedingt“ steckt in der vermuteten Persönlichkeit der anderen?
Was interpretiere ich da alles rein, was u.U. mehr über mich aussagt, als über das tatsächliche Geschehen.

Und jetzt interessiert mich: ist der Artikel verständlich? Und/oder hilfreich?
Oder kanntet Ihr den Begriff schon?

Wenn Ihr das nochmal genauer und wissenschaftlicher nachlesen wollt,
bietet sich übrigens dieser Artikel aus dem Spektrum-Lexikon an.

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