Ab wann ist es Kunst?

Ich merke, dass mich bei meinen aktuellen Bildern zunehmend ein Gedanke umtreibt. Und vermutlich erklärt sich das erst, wenn man sich eine Weile im Umkreis von „ernstzunehmenden Künstlern“ bewegt hat. Aufgrund meines Vaters war das früher eine Weile Teil meines Lebens. Er selbst war auf dem Sprung zum professionell freischaffenden Künstler, hatte einen tollen Galeristen gefunden, usw. als das Schicksal zuschlug und ihn davon abbrachte.

Da ich selbst dadurch meine Kunstkarriere-Pläne lange Zeit verwarf, habe ich das erst viel später durch einen berufsbegleitenden Mappenkurs wieder in Angriff genommen. Mit einer solchen Mappe bewirbt man sich dann an einer Kunstakademie um einen Studienplatz. Und da begegnete es mir dann wieder, bei den Besprechungen der Werke für die Mappe mit Dozenten und Professoren…

Zu verkopft. Zu dekorativ. Keine „freie“ Kunst.

Das handwerkliche Talent und Können wurde dagegen nie in Zweifel gezogen. Was mir, in Kombination mit ein paar sehr provokanten Skizzen und Drucken mit sexuellem Inhalt, dann immerhin eine Beurteilung knapp vor Zulassung zur nächsten Hürde brachte. Was wohl ziemlich untypisch ist. Zudem war ich schon Mitte 30, was wohl auch nicht hilfreich ist.

Und ich stelle fest, diese Aburteilung steckt tief. Vor allem, da mich dieser Anspruch viele Jahre davon abgehalten hat, dran zu bleiben. Wenn der Kopf darüber nachdenkt, wie man nicht zu verkopft ist, dreht man sich zwangsläufig im Kreis. Aber dekorativ darf es bitte auch nicht sein.

Nun habe ich mich seit vergangenem Jahr nach und nach angefangen vor allem digital auszuleben. Anfangs eher abstrakt, seit diesem Jahr dann plötzlich mit Tierportraits. Ich weiß nichtmal genau warum. Und das machte dann so wahnsinnig viel Spaß und führte, fast ein bisschen unerwartet, schnell zu wirklich hübschen Ergebnissen. Also habe ich beschlossen, dem einfach weiter zu folgen.

Denn… was nutzt mir der Anspruch, wenn er mich abhält. Das künstlerische Handwerk und Können steckt ja trotzdem darin. Und niemand sagt, dass es thematisch da bleiben muss. Also habe ich beschlossen, mich thematisch einzig und allein meiner Freude und Neugier zu verpflichten. Auch das ist für mich eine gelebte Form von Ichbewusst. Und Ihr seht daran, dass das auch für mich immer noch ein Prozess ist.

Bin ich Kunst? Donkey blue

Und dadurch kommt mir eine andere Frage:
Darf Kunst vielleicht doch dekorativ sein?

Denn wer hängt sich schon etwas auf, dass er nicht in irgendeiner Weise schön findet. Ist ein abstrakt buntes Farben- und/oder Linienwirrwarr mehr Kunst als ein Tierkopf auf farbigem Grund? Warum um alles in der Welt?

Für mich liegt der Sinn der Kunst (neben dem wohltuenden Prozess des Entstehens für den Künstler) vor allem in der Wirkung beim Betrachter.  Und wer bin ich, zu beurteilen, welche Wirkung das sein darf. Muss es mich staunend, suchend, grübelnd zurücklassen? Muss es mich auffordern zu interpretieren, zu fühlen, in mich hinein zu horchen? Wer sagt, dass Blumen oder Tiere das nicht können? Warum muss das scheinbar düster und kritisch sein? Darf es nicht auch hübsch und wohltuend sein? Verleiht Düsternis Tiefe und Intensität?

Meine psychologisch geschulte Seite sagt dazu ganz deutlich „BLÖDSINN!“
Wenn es um das Auslösen von Emotionen geht: vergesst die Freude nicht!

Was gibt es denn wertvolleres, als wenn ein Bild mich immer wieder zum spontanen Lächeln verleitet. Mein Esel macht das mit mir. Wenn ich höre, wofür die Giraffe für viele steht, ist das ebenso zauberhaft. Wenn man sich mit gewaltfreier Kommunikation beschäftigt ist das z.B. ein guter Überblick und ein starkes Herz. Sich daran erinnern – wunderbar. An Freude, Achtsamkeit und Liebe kann nichts schlecht sein! Und wer will darüber urteilen, welches Motiv das (oder auch was ganz anderes) bei uns auslöst. Oberflächlich ist das so ganz und gar nicht. Wenn „Kunst“ das also ablehnt, dann ist das nicht meine Kunst. Oder nicht meine Kunstwelt und auf Menschen, die sich anmaßen, das so zu definieren, verzichte ich gerne.

Kunst kommt von Können, nicht von pseudointellektuellem Negativismus.

Was natürlich(!) maßlos überspitzt ist.

Ein ganz anders Beispiel, dass es vielleicht auch für einige deutlich macht, sind Tattoos. Es gibt vermutlich Millionen von Rosen-Tattoos. Was nichts daran ändert, dass das auf meinem Rücken einzigartig ist, von einer sehr talentierten und quasi berühmten Künstlerin gestochen wurde und für mich eine tiefere Bedeutung hat. Wer mir das abspricht, weil „ist ja nur ein Blümchen“ hat schlicht nie nachgefragt. Obwohl es auch sehr persönlich ist und ich deshalb nicht jedem antworte. Ich bin mir sicher, das gilt für die meisten Rosen-Tattoo-Träger. Und es gilt genauso für die meisten anderen Tätowierten, völlig egal ob das ne Blume, ein Winnie Pooh, Sternchen oder ein Totenschädel ist. Da steckt in den allermeisten Fällen eine sehr persönliche Geschichte dahinter.

Andere Frage: Ist ein bei IKEA gekauftes Bild noch Kunst? Es hängt ja schließlich identisch in zigtausenden Haushalten. Trotzdem wird es häufig ganz unterschiedliche Bedeutungen für diejenigen haben, die es kaufen und aufhängen. Was ist dann mit der Mona Lisa oder den Mandelblüten von van Gogh. Ist es weniger Kunst, weil es vervielfältigt in vielen Haushalten hängt? Sicher nicht. Also!

Vor wem rechtfertige ich mich hier eigentlich?
Vermutlich vor mir selbst. Damit es mir u.a. egal ist, wenn ein früherer Kunstdozent meine Bilder nicht mit Likes oder Kommentaren würdigt. Auch vor der abschätzigen Stimme meines Vaters im Hinterkopf, über die „Frauen, die bunte Blümchen malen“. Und vor allen anderen, die da vielleicht noch mit ähnlichen Urteilen kommen werden.

Weil ich hiermit endgültig beschließe, dass es mir egal ist. Ich weiß, was ich kann.
Und niemand weiß, wohin das noch führen wird. Mein inneres trotziges Kind und mein Erwachsen-Ich sind sich gerade sehr einig, wie schön.

PS: Dir gefällt das Motiv? Gibt’s hier als Druck zu bestellen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert