Ich halte die Fähigkeit zum Perspektivwechsel ja tatsächlich für so ne Art SuperheldenPower. Wenn ich in allen denkbaren Lebenslagen in der Lage bin mir vorzustellen, wie man eine Situation auch ganz anders bewerten kann, werde ich deutlich entspannter bleiben, als wenn ich mich in meinen eigenen Gedankenspiralen verfange und in Interpretationen hineinsteigere.
Ich kann eher innehalten und nachfragen. Reframen und versuchen das beste aus einer Situation zu machen. Ich kann einen spontanen Gesprächsabbruch erstmal nur als unerklärliche Reaktion bewerten, der ich bei Gelegenheit mal nachgehen möchte, anstatt in Selbstzweifeln zu versinken. Ich bin eher in der Lage, meine eigene emotionale Reaktion auf ihre Angemessenheit zu hinterfragen, statt mich ihr ausgeliefert zu fühlen. Dann ist ein nicht kurzfristig geplatzter Termin zwar eine unnütze Fahrt, aber dafür Zeit für mich selbst, die ich für einen interessanten Podcast oder entspannende Musik nutzen kann.
Innehalten, atmen, umdenken.
Nur fällt das vielen im Alltag extrem schwer. Und mir ist letztens aufgefallen, wie sehr sich optische Täuschungen eignen um das Dilemma zu verdeutlichen. Denn auch da machen wir uns ein spontanes Bild von dem was wir sehen und sind erstmal davon überzeugt, dass das so die richtige und vermutliche einzige Art ist das zu sehen.
Wenn allerdings „optische Täuschung“ darüber steht oder wir uns mit anderen unterhalten wird erst klar, dass man es auch ganz anders sehen könnte. Manchmal ergibt sich das zweite mögliche Bild erst bei genauerem suchen, hinschauen, darauf einlassen. Und manchmal tun wir uns so schwer, dass wir erst den konkreten Hinweis brauchen „Kaninchen oder Ente?“. Oder auch „guck mal da, der Ast ist die Nase“. Oder so. Und dann.. wird es plötzlich klar und wir können es gar nicht mehr nicht sehen. Wer mag, findet HIER und HIER bei Wikipedia übrigens tolle Beispiele inklusive Erklärungen.
Was es braucht.
Ist also die Bereitschaft eine andere Möglichkeit in Betracht zu ziehen. Um sie entweder selbst zu finden oder es uns genau erklären zu lassen. Bei den Perspektiven oder Blickwinkeln, auch Bezugsrahmen genannt, ist das nicht anders.
- Wir müssen es für möglich halten.
- Erst dann macht es Sinn sich auf die Suche zu begeben.
- Es ist hilfreich nachzufragen, wenn wir es nicht entdecken. Erst recht, wenn es sich um das reale Leben handelt, denn da gibt es meist tausend weitere Varianten, auf die wir von alleine nie gekommen wären.
Und selbst mit Erklärung ist es manchmal annähernd unmöglich es wirklich zu verstehen, weil es so fundamental unserem eigenen Blick, Werten und Überzeugungen widerspricht. Könnt Ihr Euch noch an #thedress erinnern, bei dem die ganze Welt darüber stritt ob es nun blau-schwarz oder weiß-gold ist? Dennoch ist es mit einer detaillierten Erklärung möglich zumindest zu respektieren, dass der eigene Blick, die emotionale Reaktion oder Intuition falsch war oder ist.
Next level.
Und hier ist noch ein letztens auf Twitter gefundenes animiertes Beispiel. Sensationell gemacht (einfach auf das PLAY-Symbol klicken um es zu starten). Selbst mit der Erklärung, versucht unser Hirn sich hartnäckig seine eigene Geschichte zu erzählen. Es hilft, sich vor Augen zu halten, dass die trotz aller scheinbaren Logik eben trotzdem falsch ist.
There is an optical illusion here too, I promise.
(also by @jagarikin)pic.twitter.com/CSLjXg6DzX
— Siqi Chen (@blader) November 23, 2020
Meistens ist es aber gar nicht so kompliziert. Die grundsätzliche Offenheit es für möglich zu halten, dass man etwas auch ganz anders sehen, verstehen kann, macht in den allermeisten Fällen schon den großen Unterschied auf dem Weg zur Lösung.
Der andere Blick.
Und dann ist die Mitarbeiterin mit den vielen Fehlern vielleicht gar nicht nur unfähig und unaufmerksam, sondern setzt sich aufgrund früherer Erfahrungen so sehr unter Druck, dass sie vor Angst blockiert ist ihr Potenzial abzurufen. Dann ist der Kollege gar kein gedankenloses Arschloch, sondern so hoffnungslos überarbeitet, dass er deshalb einen folgenschweren Fehler gemacht hat, den er bitter bereut, aber vor Scham nicht darüber redet. Dann ist der gute Freund gar nicht sauer, sondern wurde zufällig und plötzlich an sehr ungute alte Erlebnisse erinnert, die er erstmal in Ruhe verarbeiten und einordnen musste.
„Die Bereitschaft zum Perspektivwechsel ist die Ausgangsbasis für Offenheit, echtes zuhören und verstehen wollen.“
Wem das schwer fällt, den begleite ich gerne. Es gibt kaum etwas, das ich lieber tue und mir leichter. Wenn Euch also jemand aufregt, liefere ich Euch so viele mögliche andere Blickwinkel, bis Ihr neugierig genug seid, von der betroffenen Person die tatsächliche Erklärung zu hören. Oder so beruhigt, dass es Euch nicht mehr aufregt.
(Und noch eine kleine Anmerkung in unseren verrückten Zeiten. Ich rede hier NICHT von alternativen Fakten. Sondern von persönlichen Bewertungen und Interpretationen einer Situation. Mit dem Wissen um die Hintergründe einer Lebensgeschichte kann dann allerdings nachvollziehbarer werden, warum jemand für absonderliche Verschwörungstheorien zugängig wird.)